Vom Grüßen, Kopfrechnen und Dienen
Nach einer gewohnt launigen und erheiternden Begrüßungsrede von Georg Brutschy, seines Zeichens Obmann der Aktiven Wirtschaft und Chef der gleichnamigen Stadtgreißlerei, und einer kurzen Begrüßung durch Bürgermeister Franz Wohlmuth und Karl Hintermeier (Burg:2025) betrat der "Star des Abends" die Bühne, die er erst rund eineinhalb Stunden später wieder verlassen sollte.
"Grüßen, Kopfrechnen und Dienen"
Eineinhalb Stunden in denen Heini Staudinger einen Streifzug durch sein bewegtes Leben unternahm und für so manchen Lacher, aber auch viel Nachdenklichkeit sorgte. Eineinhalb Stunden in denen der geborene Oberösterreicher von seiner Kindheit und Jugend in der elterlichen Greißlerei, seiner Reise nach Afrika und den damit verbundenen Abenteuern und seinen Anfängen als Schuhhändler und später als Chef der Waldviertler Schuhmanufaktur erzählte. "Grüßen, Kopfrechnen und Dienen", diese drei Dinge habe er in der Schwanenstädter University of Economics, wie Staudinger das Geschäft seiner Eltern nennt, gelernt. Drei Dinge, die auch später als Unternehmer zur Grundlage seines Handelns wurden.
Neben einem Überblick über seinen - ja man muss es so ausdrücken - ungewöhnlichen Lebensweg bot Staudinger auch einen tiefen Einblick in die aktuelle Lage der österreichischen und internationalen Schuhindustrie. 1994 beschäftigten allein die fünf größten Schuhproduzenten (Gabor, Ara, Högl, adidas,...) rund 5.000 Schuhmacher in Österreich. Arbeitsplätze, die durch die Abwanderung in Länder mit günstigeren Produktionskosten verloren gegangen sind. Heute gibt es nur mehr ganz wenige mittelgroße und sieben bis acht kleine Schuhproduzenten in Österreich.
"Danke, dass du unsere Schuhe verkaufst."
Doch nicht nur die Industrie auch der Schuhhandel unterliegt einem Wandel, der vor allem dem Fachhandel zu schaffen macht. Wie dramatisch dieser Wandel ist schildert Staudinger am Beispiel Deutschlands, wo die Deichmann-Kette mit 73 Millionen verkauften Paar Schuhen zwar noch die Rangliste anführt, auf Platz 2 und 3 finden sich aber schon die beiden Onlinehändler Amazon und Zalando - und die "verkaufen keine Schuhe aus Europa", meint Staudinger. Gerade für seine Waldviertler Schuhmanufaktur, deren Schuhe nicht im Niedrigstpreissegment zu finden sind, ist deshalb neben den eigenen GEA-Geschäften der Fachhandel von immenser Bedeutung. In Richtung Martha Gruber meint er: "Danke, dass du unsere Schuhe verkaufst."
Der "Finanz- oder Schuhrebell", wie in Österreichs Medien seit seiner Auseinandersetzung mit der heimischen Finanzmarktaufsicht rund um die Finanzierung seines Unternehmens nennen, ist aber nicht nur ein tatkräftiger Unternehmer sondern auch sozial engagiert. Neben seiner Afrikahilfe (mehr dazu hier: > Afrika-Projekte) hat der findige Firmenchef auch eine Formel Z (Z für Zukunft) gegründet, die Kinder aus einkommensschwachen Familien unterstützen soll. Auslöser für die Gründung der Formel Z war die Bitte einer Mitarbeiterin um eine Gehaltserhöhung, weil sie ihrem Sohn eine bessere schulische Ausbildung ermöglichen wollte. Staudinger im O-Ton: "I hob in der Buchhaltung angerufen und gfragt wos uns des kostet, wenn wir ihr 100 Euro drauflegen. 130 Euro hots ghassn und davon bleiben ihr nur 50 Euro - den Rest fressen Steuern und Sozialversicherung." Bei einer Formel 1 Übertragung sei ihm dann die Idee gekommen, die Formel Z zu gründen. Red Bull kann nämlich sein Engagement in der Formel 1 steuerlich als Werbungskosten absetzen und mit unserer Formel Z tun wir das Gleiche, erzählt Staudinger mit einem verschmitzten Lächeln. Mehr dazu hier: > Formel Z.
"Das Spiel ist aus."
Last but not least erzählt Staudinger auch noch von seiner Auseinandersetzung mit der FMA und dem darauffolgenden Gerichtsprozess, der mit einer Geldstrafe endete. Nachdem er sich "aus Mangel an Unrechtsbewusstsein" weigerte die Strafe zu zahlen sei der Exekutor in drei seiner GEA-Geschäfte aufgetaucht. Während in zwei Geschäften die aus Österreich stammenden Verkäuferinnen das vorhandene Geld ausgehändigt haben, habe im dritten Geschäft ein ursprünglich aus dem Senegal stammender Mitarbeiter dem Exekutor erklärt, dass er die Kassa nicht für Fremde öffnen darf. Das sei Widerstand gegen die Staatsgewalt habe der Exekutor daraufhin dem Mitarbeiter gedroht. Nach dieser Drohung meinte Staudinger am Telefon zu seinem Mitarbeiter "Das Spiel ist aus" und erst daraufhin öffnete der Mitarbeiter die Kassa.
Sein Konflikt mit der FMA habe dann aber letztendlich zu einer Neuregelung der Gesetzeslage in Österreich geführt. Mit dem Crowdfundinggesetz verfügt Österreich heute über eines der liberalsten Gesetze in Europa und wird dafür international gelobt. Staudingers Kommentar: "Interessant wie man als `Gesetzesbrecher` solche Fortschritte zu Stande bringt. Und glauben´s ma wir hobn no a Menge anderer Gesetze auf unserem Speisezettel."
Zum Abschluss seines Vortrages lädt Staudinger das Publikum noch zum gemeinsamen Singen eines Liedes ein. Das Lied - Textzeile siehe oben (Erika Pluhar) - handelt von den zwei italienischen Schuhfabriksarbeitern Ferdinando „Nicola“ Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die 1927 in den USA nach einem offensichtlich politisch motivierten Schauprozess hingerichtet wurden. Erst 1977 wurden die Beiden rehabilitiert (mehr dazu hier: > wikipedia Sacco und Vanzetti).
Im Anschluss an die Veranstaltung lud die Aktive Wirtschaft noch zu einem kleinen Buffet, dass von den Bäckereien Berger und Simhofer sowie von der Stadtgreißlerei kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Neulengbacher Feuerwehr sorgte dankenswerter Weise dafür, dass die Besucher sicher den Weg in und aus der Burg fanden.
Ein großer Dank gilt auch dem Publikum, das eifrig für Heini Staudingers Afrikahilfe gespendet hat. Insgesamt wurden 1260 Euro eingesammelt.
Nicola und Bartholomä - einmal schmilzt das Eis und der Schnee - dann werden's alle endlich kapiern - und sie werden die Angst verliern"
